Am 13.01.2005 veröffentlichte die projektleitende „Gesellschaft
für Innovation und Unternehmensförderung mbH“ (GIU) die Zahl 153
Millionen Euro als aktuelle Kostenrechnung für die „Stadtmitte am
Fluss“, die bis 2010 fertiggestellt sein soll. Am 29. Januar 2005
bezifferte der ehemalige Oberbürgermeister von Saarbrücken und Repräsentant
des Förderkreises „Stadtmitte am Fluss“, Herr Koebnick, in der
Saarbrücker Zeitung die Baukosten der „Stadtmitte am Fluss“ mit 169
Millionen Euro. Viel entscheidender als diese Differenz ist, was diese Kosten (lt. GIU) nicht enthalten,
wohl aber im sogenannten „Masterplan“ zur „Stadtmitte am Fluss“ sehr umfassend dargestellt wird.
Das sind
- die Kosten zu Revitalisierung der Berliner
Promenade
- die Kosten für weitere städtebauliche Maßnahmen (z.B. der Yachthafen, auch „Marina“ genannt,
und ergänzende Bebauungen)
- die Kosten für eine eventuelle Vorfinanzierung
- die Kosten für innerstädtische
Verkehrslenkungsmaßnahmen (Ampelsteuerung etc.)
Es ist eher die Ausnahme als die Regel, dass ein
öffentlich gefördertes Bauprojekt zu
den Kosten und zu dem Zeitpunkt fertiggestellt
wird, die bei der Planung angegeben wurden. Die
Erfahrung zeigt, dass sowohl bei der weiteren
Planung (allgemeine Preissteigerungsrate bis
2007), als auch bei einem etwaigen Bau (bis
2010) die Kosten steigen werden. Legt man die
derzeitig angegebenen Kosten von 169 Millionen Euro zu
Grunde, und rechnet nur den Anstieg der
jährlichen allgemeinen Preissteigerungsrate von
lediglich einem Prozent bis 2010 ein, würden die
Kosten auf 177,6 Millionen Euro ansteigen.
Bei
Tunnelprojekten ist das Risiko für
kostenintensive Planänderungen und
Bauzeitverlängerungen recht hoch. Das gilt
umso mehr für ein Tunnelprojekt, das
unmittelbar neben einem Fluss mit
Hochwasserpotential gebaut werden soll. Über die
daraus resultierenden finanziellen Risiken lässt sich nur spekulieren. Gleiches gilt für
die finanziellen und zeitlichen
Unabwägbarkeiten, die sich z.B. aus der
Bürgerbeteiligung, Einsprüchen, Klagen, einer
Umweltverträglichkeitsprüfung usw. ergeben
könnten.
Bundesmittel
Die Verlegung der Autobahn in einen Tunnel, wie das Gesamtprojekt „Stadtmitte am Fluss“,
soll unter anderem helfen, die Eigenständigkeit des Saarlandes zu sichern.
Der Tunnel soll zum überwiegenden Teil aus Bundesmittel finanziert werden.
Die Bürgerinnen und Bürger der Stadt Saarbrücken und der Saarlandes bräuchten
nach Aussage der GIU nicht zu befürchten, dass sie wegen der Bundesfinanzierung mit
weiteren Kürzungen in anderen Bereichen zu rechnen haben.
Kurz: Es wird von den Initiatoren der Eindruck erweckt,
dass der Tunnel zum Nulltarif zu haben sei.
Dieser Eindruck ist aus folgenden Gründen falsch:
- Sollte es auf Bundesebene ernsthaft die Absicht geben, die Eigenständigkeit
des Saarlandes mittel- oder langfristig aufzuheben, ist es absurd, dies mit der
Beantragung von Fördermitteln des Bundes verhindern zu wollen,
oder sie sogar davon abhängig zu machen.
-
Jedes Jahr gibt der „Bund der Steuerzahler“ ein Schwarzbuch heraus.
Darin wird die Verschwendung öffentlicher Gelder angeprangert.
Es ist voll mit Prestigeobjekten wie der „SaF“, die Gemeinden, Städte, Landkreise, Bundesländer
und der Bund gebaut haben. Diese Projekte kosten die Steuerzahler Jahr für Jahr
zweistellige Milliarden-Summen.
Dieses Geld fehlt dem Bund und muss an anderer Stelle eingespart,
durch Kürzungen ausgeglichen oder durch Steuererhöhungen eingenommen werden.
Alle steuerpflichtigen Saarländerinnen und Saarländer zahlen Steuern an den Bund.
Sie werden, wie alle Bürger der Bundesrepublik, von solchen Steuererhöhungen getroffen.
Nicht wenige dieser Projekte, die als Verschwendung von öffentlichen Geldern kritisiert wurden,
haben darüber hinaus viele Städte und Gemeinden ruiniert und dort zu drastischen
Einsparungen in anderen kommunalen Bereichen geführt.
Nicht selten weil die Folgekosten dieser Projekte ignoriert wurden.
Die Behauptung, der Tunnel könnte die Eigenständigkeit des Saarlandes sichern
und würde die SaarbrückerInnen und SaarländerInnen nichts kosten,
ist deshalb nicht nur falsch, sondern als Begründung für die Eigenständigkeit auch
gefährlich falsch.
Baukostenbeteiligung von Stadt und Land
Die Stadt Saarbrücken und das Saarland
werden sich an den Baukosten des Tunnels und den
anderen Teilen der „Stadtmitte am Fluss“
beteiligen müssen. Dieser finanzielle Anteil
wird für andere öffentliche Aufgaben
nicht zur Verfügung stehen. Die Behauptung
der Initiatoren, dass diese Finanzierungsanteile
keine Auswirkungen auf soziale, kulturelle und
andere Bereiche haben wird, ist nicht nur falsch,
sie ist beleidigend. Sie unterstellt, dass die
Menschen in Stadt und Land nicht wüssten,
dass die Stadt und das Land Gesamteinnahmen haben,
deren Verwendungszwecke in jährlichen
Haushaltsplänen festgelegt und verteilt
werden - es sei denn, das Land hat einen Goldesel und die Stadt ein Huhn,
das zusätzlich für die „Stadtmitte
am Fluss“ goldene Eier
legt!
Von den 580.000 Euro, die die
Planungen für das Projekt bis Februar 2005
gekostet haben sollen, haben die Stadt 24%, das
Saarland 26% und die GIU 50% beigetragen. (Die
großangelegte Werbekampagne wurde vom
„Förderkreis Stadtmitte am Fluss“
finanziert. Die Aufzählung der
Bauunternehmungen, Planungsbüros etc., die in
diesem Kreis versammelt sind, ersparen wir uns
hier.)
Da die Finanzmittel schon heute
recht knapp sind, ist davon auszugehen, dass die
Finanzierungsanteile viele Jahre über den
eventuellen Fertigstellungstermin hinaus den
Stadt- und den Landeshaushalt als
Zahlungsverpflichtungen belasten werden. Seit
Jahrzehnten haben die Stadt und das Land massiv in
den Ausbau der Infrastruktur investiert. Das ist
pauschal nicht zu kritisieren. Der wirtschaftliche
Erfolg, beziehungsweise die Gesundung der
öffentlichen Haushalte, blieb aber
weitestgehend aus. Im Gegenteil: Die Stadt und das
Land sind so hoch verschuldet wie nie zuvor. Die
Kürzungen im sozialen, kulturellen und im
Bildungsbereich werden weitergehen.
Folgekosten
Die Stadt Saarbrücken wird die Folgekosten
eines Straßenverkehrstunnels zu tragen
haben. Die Kosten für den Betrieb
(Beleuchtung, Entlüftung, Überwachung
etc.) und Unterhalt (Instandhaltung, Reparaturen
etc.) des Tunnels werden ebenso Eingang in die
künftigen städtischen Haushaltspläne
finden, wie die Zinsen für die Gelder, die zur
Finanzierung der „Stadtmitte am Fluss“ aufgenommen
werden müssen.
Die so zweckgebundenen
städtischen Mittel können nicht für
andere öffentliche Aufgaben genutzt werden.
Die Behauptung, dass dies keine weiteren
Kürzungen in anderen öffentlichen
Bereichen nach sich ziehen wird, mag glauben wer
will.
Wirtschaftlichkeitsberechnung
Im „Masterplan“ erwähnt die
GIU, dass eine Kosten/Nutzen-Rechnung für
den Autobahntunnel einen Berechnungswert von
über 3 erzielt hat, und somit in den
„vordringlichen Bedarf“ des
Bundesverkehrswegeplans aufgenommen werden
könne. Die Aufnahme in den
„vordringlichen Bedarf“ ist notwendig,
um die Finanzierung eines
Straßenbauprojektes aus dem Verkehrshaushalt
des Bundes zu beantragen. Der
Bundesverkehrswegeplan ist bereits bis ins Jahr
2014 festgeschrieben.
Die Basis aller in die Zukunft gerichteter
Wirtschaftlichkeitsberechnungen sind
Annahmen. Annahmen über die wirtschaftlichen
Auswirkungen, die ein Projekt wie dieses nach sich
ziehen könnte. Ein glasklarer
Konjunktiv. Zwar gibt es Regeln, wie diese Werte
ermittelt werden - trotzdem bleiben es Annahmen,
Vermutungen, Blicke in die Glaskugel und in den
Kaffeesatz der Zukunft. Wenn man weiß,
welcher Wert notwendig ist, um ein bestimmtes Ziel
zu erreichen, darf man nur eines nicht: Seine
Zukunftsphantasien unglaubwürdig erscheinen
lassen. Darunter ist alles aus der großen
Kiste „Wünsch dir was“
erlaubt. Wer fragt schon später danach, ob
die Zukunft richtig gedeutet wurde? Vor allem,
wenn es nichts mehr nutzt, weil ein Projekt gebaut
wurde und das Geld weg ist.
Natürlich muss es
Kosten/Nutzen-Rechnungen und Zukunftserwartungen
geben, die darin einfließen. Aber man muss
auch wissen, welchen realen Wert sie haben. Wie
kämen sonst die desolaten Haushalte zustande,
die mit jeder politischen Entscheidung nur besser
werden sollten? Wer die negativen
Auswirkungen einer
„Fünf-Jahres-Großbaustelle
Saarbrücken“ ausblendet, argumentiert
unlauter. Für den Einzelhandel, die
Gastronomie und den Tourismus hätte diese
Großbaustelle gravierende Auswirkungen. Wie
viele Unternehmen und Arbeitsplätze in diesen
Wirtschaftsbereichen verloren gehen werden, spielt
für die Planer keine Rolle: Wird ihr
Arbeitsplatz doch durch die Planung gesichert.
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