Die Hochwasserproblematik

Der Tunnel <<   >> Verkehrslärm

Ein Argument der Befürworter für die Verlegung der Stadtautobahn in einen Tunnel ist die Vermeidung der Verkehrsprobleme, die durch die seltenen Hochwassersperrungen der Stadtautobahn entstehen. Sie ignorieren, dass die Stadtautobahn auch eine Art Überlauffunktion zum Hochwasserschutz für die Innenstadt hat.

Das Hochwassergutachten, das von der GIU in Auftrag gegeben wurde, stellt jedoch fest: »Auf rund 75% der Tunnellänge geht gegenüber der jetzigen Situation Fließbreite verloren. Die raumgreifende Konstruktion der Tunnelzu- bzw. -ausfahrt im Bereich der Berliner Promenade stellt einen weiteren massiven Eingriff in das Abflußregime dar. Die Tunnelzufahrt-/Ausfahrt an der Luisenbrücke und die erforderliche Eindeichung eines ca. 200 m langen Abschnitts der A620 östlich der Luisenbrücke wirken ebenfalls abschlussverschärfend.«

Da seitens der Genehmigungsbehörden Veränderungen der Wasserspiegellagen im Bereich von 1 cm bis maximal 2 cm genehmigungsfähig sein könnten, wird von den Behörden und den Befürwortern billigend in Kauf genommen, dass die Hochwassergefahr für die Innenstadt nicht vermindert, sondern erhöht wird. Bei den verschiedenen geplanten Varianten zur Ausgestaltung der „Stadtmitte am Fluss“ (Tunnel allein und im Zusammenhang mit der Berliner Promenade), wurden erhöhte Wasserspiegellagen zwischen 2 cm und 10 cm ermittelt. Allerdings verzichteten die Gutachter, ganz konkret und konsequent, auf die Einbeziehung des geplanten Yachthafens. Im gesamten Hochwassergutachten findet sich kein Hinweis auf den Yachthafen!

Vielleicht deshalb nicht: »Jedes Abflusshindernis [Anm. Gegnerkreis: Was sonst könnte der Yachthafen sein?] wirkt sich lokal, aber auch großräumig aus. Einschnürungen des aktiven Fließquerschnitts pflanzen sich nach Oberstrom aus und bewirken dort einen Anstieg der Wasserspiegellagen und generell eine Verschärfung der Hochwassersituation. Retentionsraumverluste beeinflussen den Wellenablauf im Unterstrom, indem dort höhere Abflüsse (verbunden mit Erhöhung der Wasserspiegellagen) auftreten.«

Als Abflusshindernis gilt insbesondere die geplante Luxussanierung der Berliner Promenade. Diese sieht »‘...’ neben einer aus hydraulischer Sicht als geschlossen zu bewertender Fassade weitere Abflusshindernisse in Form von neuen bzw. erweiterten Treppenanlagen ‘...’ vor.« Sollten diese Treppenanlagen nicht aus dem hochwasserrelevanten Bereich zu verlegen sein, muss die Berliner Promenade »durchlässig« und »strömungsoptimiert« gestaltet werden. Das kann dazu führen, dass bei einem Hochwasser der untere Bereich der Berliner Promenade durch Öffnen von Schleusen geflutet werden muss. Mögen die Juristen entscheiden, ob die dadurch entstehenden Schadensereignisse aus „höherer Gewalt“ oder einer bewussten und verantwortbaren Handlung resultieren, gegebenenfalls mit Haftungsansprüchen gegen die Stadt.

Um das Hochwasserrisiko durch das Abflusshindernis Berliner Promenade zu reduzieren, werden im Gutachten unter anderem folgende Maßnahmen vorgeschlagen:
  • Tieferlegung von (ehemal.) Flächen der A620 im Bereich Luisenbrücke
  • Entfall Rampen alte Wilhelm-Heinrich-Brücke
  • Absenkung im Bereich Saarwiesen bei Bismarckbrücke
  • Kompensation Bereich Kongreßhalle/Bürgerpark
  • Neue Treppenanlagen im Fließquerschnitt
  • Absenkung Saarwiesen vor dem Staatstheater
  • Absenkung Geländeaufschüttung

Im Gegensatz zu den im Masterplan vorgestellten Grünflächen, die zum Teil in Form von Böschungen von der Saar zur Tunnelwand ansteigen sollen, werden laut Gutachten großflächige Geländeabsenkungen und Ausgleichsmaßnahmen erforderlich. Folgende Auflistung haben wir dem Gutachten entnommen:

  • Die Stützen der Luisenbrücke entfallen im Zuge des Neubaus der Brücke. Bisher ist vorgesehen, die Stützen beizubehalten und lediglich den letzten, die jetzige Autobahn überspannenden Abschnitt an die Tunnelkonstruktion anzupassen.
  • Öffnung des zugemauerten Brückenbogens der Alten Brücke vor dem Ministerium für Wirtschaft/Finanzen
  • Entlang des Finanzamtes/Ministeriums wird das Gelände analog zur Berliner Promenade zum Gewässer hin abgetreppt, so dass der Fließquerschnitt vergrößert wird
  • Absenkung des Geländes vor Staatstheater und Moderner Galerie
  • Absenkung ufernaher Bereiche im Umfeld der Bismarckbrücke
  • Verbreiterung des Abflußquerschnitts am linken Saarufer, insbesondere im Bereich der Alten Brücke, im Bereich Luisenbrücke und ggf. auf der gesamten Länge dazwischen.

Durch diese Maßnahmen wäre das Projekt »grundsätzlich« möglich - wegen der eventuell genehmigungsfähigen Anhebung der Wasserspiegellage der Saar um 1 bis 2 cm. Diese Fakten wurden weder in der Presse vorgestellt, noch wurden die dafür erforderlichen Kosten bislang ermittelt. Allerdings zeigt auch dies deutlich, dass die finanziell ruinierte Stadt Saarbrücken und das ebenso finanzkräftige Saarland, dessen ungeachtet, ungeniert und bar jeder Hemmungen bereit sind, ihrer Großmannssucht zu frönen.

Den Gutachtern ist kein Vorwurf zu machen, dass sie sich der gestellten Aufgabe „zentimetergenau“ gewidmet haben. Wie risikobehaftet das geforderte Berechnungsergebnis ist, lässt sich aus dem folgenden Textabschnitt herauslesen, der wohl zu dem Zwecke formuliert wurde, die Gutachter juristisch abzusichern und/oder sich einen neuen Auftrag zu sichern.

Zitat: »Abschließend sei nochmals darauf hingewiesen, dass alle Berechnungsergebnisse auf einem vergleichsweise groben, wenngleich hochkomplexen Simulationsmodell des Hochwasserabflusses der Saar beruhen, welches mit dem Ziel aufgestellt wurde, die Auswirkungen von Maßnahmen qualitativ abzuschätzen. Die angegebenen Veränderungen im Zentimeterbereich sind daher als fundierte Anhaltswerte zu verstehen, die in den nächsten Phasen des Projektvorhabens „Stadtmitte am Fluß“ durch eine detailliertere Modelluntersuchung zu untermauern und zu verifizieren sind. Insbesondere ist nur das detaillierte Modell geeignet, die Einflüsse lokaler Einbauten wie Treppenanlagen, Rampen, Anlegestege, ‘...’ verlässlich vorherzusagen.«

Die Hochwassergefahr wird durch die Veränderung der Wasserspiegellagen steigen! Ob in theoretischen Modellberechnungen „Sicherheitsreserven“ vorkommen sollten oder nicht, ist eine Frage der Risikobereitschaft. Die Antwort des Gutachtens ist eindeutig: Das Risiko wird erhöht. Auch ohne den Yachthafen, der in den Berechnungen nicht berücksichtigt wurde.

Mit der „Stadtmitte am Fluss“ wird dauerhaft auf die Hochwasserentwicklung der Saar eingewirkt. Wir dürfen darauf verweisen, dass sich die Niederschlagsmengen in Folge der Klimaveränderungen schon jetzt nachweislich nach oben bewegen. Die Verantwortlichen für das gegenwärtige Hochwasserrisiko sind nicht zu benennen. Für das zukünftige Hochwasser-Risiko schon: Es sind diejenigen, die das Projekt „Stadtmitte am Fluss“ durchsetzen wollen. Den Schaden allerdings werden andere haben: Diejenigen, deren Wohnungen und Geschäfte im Hochwasserbereich der „Stadtmitte am Fluss“ liegen!

Valid HTML 4.01! ©  2005 von  db      Letzte Änderung am 12.07.05